75 Jahre Grundgesetz und immer noch keine Gleichberechtigung!
Was wollt ihr denn noch alles?

Ein Gespräch mit Bestsellerautorin Alexandra Zykunov

In diesem Jahr wurde das Grundgesetz 75 Jahre alt. In Artikel 3 Abs. 2 ist die Gleichberechtigung und deren Förderung durch den Staat festgeschrieben. Wo stehen wir heute? Eine wunderbare Gelegenheit, sich mit Alexandra Zykunov auszutauschen. Die Bestsellerautorin, bekannt für ihre pointierten Beiträge zu Gleichstellungsthemen, zeigt in ihrem Buch “Was wollt ihr denn noch alles?!” gleich 19 vorhandene Gender Gaps auf. Sie veranschaulicht die Ungleichheiten beim Gehalt, bei der medizinischen Versorgung, bei der Stadtplanung und vieles mehr – sogar die vorgeschriebene Heckenhöhe ist nicht gendergerecht. Im Gespräch mit Barbara Streidl spricht sie über die Kosten, die die gesamte Gesellschaft zu tragen hat. Sie spricht über die To-do-Liste, die abgearbeitet werden muss, um die tatsächliche Gleichberechtigung zu erreichen. Ein tiefgehender Austausch über Missstände, die Rolle des Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes und die Forderungen für eine gerechte Zukunft.

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Das Thema Grundgesetz und Gleichberechtigung beschäftigte auch Prof. Ursula Männle (MdB a.D. sowie ehemalige Bayerische Staatsministerin für Bundesangelegenheiten) auf dem Sommerempfang 2024 von FidAR und BayLFR „75 Jahre Grundgesetz. Wo stehen wir heute?“.
Mit ihr betrat eine Kämpferin und Pionierin für die Gleichberechtigung die Bühne. Kurzentschlossen warf sie ihr Manuskript über den Haufen und sprach frei über ihre ganz persönlichen Erinnerungen und Erfahrungen der letzten 60 Jahre. Professorin Männle ist seit 1964 CSU-Mitglied und war bis vor knapp zehn Jahren in unterschiedlichen Funktionen in der Politik aktiv. Die Gleichberechtigung der Frauen war für sie immer eine Herzensangelegenheit. Fesselnd beschrieb sie den Weg der Frauen vom schmückenden Beiwerk der Bonner Republik bis hin zu den selbstbewussten Politikerinnen der Jetzt-Zeit. In Sachen Gleichberechtigung gab es für Männle drei Zäsuren:
Der erste Impuls kam von der 68er-Generation und einer SDS-Studentin, die auf einer Delegiertenkonferenz mit Tomaten geworfen und gerufen hatte: „Wir sind nicht eure Groupies“. Die Frauen forderten endlich eine Diskussion über die Frauenfrage und markierten damit den Start der neuen Frauenbewegung.
Der nächste Impuls kam 1983 mit dem Einzug der Grünen in den Bundestag. Die Partei mit einem großen Frauenanteil hatte genaue Vorstellungen, wie die Mitwirkung der Frauen in Zukunft aussehen sollte. Die Grünen-Frauen nahmen kein Blatt vor den Mund und brachten Tabuthemen wie sexuellen Missbrauch, Gewalt in der Ehe und Frauen als Kriegswaffe ins Parlament. „Auch wir Unionsfrauen wussten, das sind Themen, die uns betreffen und wenn sie jetzt nicht geregelt werden, vergehen wieder Jahre,“ berichtete Männle. „Und wir alle wussten, dass Frauen nur gemeinsam etwas erreichen können. Parteiübergreifend seien die Frauen über ihren Schatten gesprungen, hätten sich abgesprochen und hinter den Kulissen Bündnisse geschmiedet.“ Und damit es nicht auffiel, habe man sich in den Ausschüssen auch schon mal beschimpft, erzählte sie schmunzelnd weiter.
Das dritte wichtige Ereignis auf dem Weg zur tatsächlichen Gleichberechtigung war die Wiedervereinigung. „Da kamen Frauen mit völlig anderen Erfahrungen in unsere Gesellschaft. Frauen, die in beruflicher Hinsicht tatsächlich gleichberechtigt waren und die ganz andere Erwartungen hatten. Die Diskussionen miteinander in der gemeinsamen Verfassungskommission brachte uns auf die Idee, das Grundgesetz zu ergänzen.“ Und wieder sei es den Frauen parteiübergreifend gelungen, ihre Parteikollegen zu überzeugen und den Druck in die Öffentlichkeit zu tragen. Und so sei dieser etwas sperrige Satz „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ mit großer Wirkung 1994 ins Grundgesetz aufgenommen worden.

Ihren Wunsch für die Zukunft formulierte Männle, obwohl früher eine erklärte Gegnerin der Frauenquote, so: PARITÄT IN ALLEN POLITISCHEN GREMIEN! Bei der Frage zur GLEICHBERECHTIGUNG MORGEN zeigte sich Männle sehr besorgt. „Ich habe große Bedenken, dass das, was wir erreicht haben, plötzlich in Frage gestellt wird“, und sie mahnte, „was einmal verloren gegangen ist, ist ganz schwer wieder zurückzubekommen“. Zum Schluss forderte sie: „Mehr Solidarität untereinander und die Unterstützung der Männer, denn alleine schaffen wir es nicht.“ Mit stehenden Ovationen feierte das Publikum Professorin Männle, die Kämpferin für die Gleichberechtigung.

 

Wir sind ein Zusammenschluss von 58 Landes-Frauenverbänden und Frauengruppen gemischter Landesverbände, sind überparteilich, überkonfessionell und unabhängig und vertreten insgesamt knapp vier Millionen Frauen in Bayern. Seit unserer Gründung 1973 tragen wir zur Verwirklichung von Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft bei.