Die Demokratie braucht Frauen!
„Lust auf Politik – Gegen Hate Speech und Hetze.“ Zu diesem Thema hatte der Bayerische Landesfrauenrat (BayLFR) und Frauen in die Politik (FidiP e. V.) am 24. September in den Y.Pavillon in München eingeladen.
Gekommen waren an die 120 Frauen und einige Männer. Alle interessiert, manche auf dem Weg in die Politik, einige schon mittendrin im Politikbetrieb und dann auch oft mittendrin in Hass und Hetze.
BayLFR-Präsidentin Monika Meier-Pojda machte in ihrem Grußwort zum Thema „Die Unterrepräsentanz von Frauen in der Politik“ eine Bilanz auf. „Vom Ist zum Soll! Dieses Motto soll uns heute durch den Abend führen. Auf der IST-Seite stehen: Unvereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt. Eine Gesellschaft, die Frauen wenig zutraut. Die Politik als Männerdomäne mit den männlich geprägten Umgangsformen und Organisationskulturen. Traditionelle Rollenbilder. Fehlende Unterstützung in den Parteien. Mangelndes Selbstvertrauen der Frauen.“ Deshalb sei es umso wichtiger, so Meier-Pojda weiter, Frauen in die Politik zu bringen, und stellt auf ihrer SOLL-Seite Forderungen auf: „Fördert Frauen im Ehrenamt. Sorgt für eine familienfreundliche Politikkultur. Vergebt mehr Listenplätze und Mandate an Frauen!“. Meier-Pojda kommt zu dem Schluss: „Das Geschlechterverhältnis im politischen Geschehen muss beeinflusst und verändert werden!“
Präsidentin Monika Meier-Pojda
Deutlich wurde auch Staatsministerin Ulrike Scharf in ihrem Grußwort: „In den meisten Parlamenten sind Frauen immer noch in der Minderheit. Der Anteil der bayerischen Bürgermeisterinnen liegt bei zehn Prozent.“ Ihr Fazit: „Frauen in der Politik, das ist keine Option, das ist ein Muss!“ Deshalb sei es umso wichtiger, dass Frauen sich gegenseitig bestärken und unterstützen. Darüber hinaus brauche es natürlich „eine Vereinbarkeit von Familie und Mandat, eine familienfreundliche Arbeitswelt, eine verlässliche Kinderbetreuung“.
Staatsministerin Ulrike Scharf
Und was ist mit Hass und Hetze im politischen Raum? Wie weit spielen sie eine Rolle? Die Antworten darauf hatte Prof. Jasmin Riedl, Politikwissenschaftlerin an der Universität der Bundeswehr München. Sie arbeitet an der Schnittstelle von Politologie und Informatik und beobachtet zusammen mit ihrem Team den digitalen Raum im politischen Geschehen. Riedl: „Sechs Wochen vor Wahlen liefern wir in Echtzeit Information dazu, wie über Politikerinnen, über Parteien gesprochen wird, wie die Tonalität im digitalen Raum ist.“
Während des Landtagswahlkampfes in Bayern haben Riedl und ihr Team bis zu 200.000 Posts von der Plattform X (ehemals Twitter) am Tag ausgewertet. Insgesamt konnten sie in diesem Zeitraum 5,7 Mio. Aussagen über politische Akteure klassifizieren. Analysiert wurden die Haltung gegenüber Politikerinnen, die Toxizität und der sogenannte Echokammereffekt, also ob die Menschen in Gruppen polarisiert sind bzw. noch über verschiedene Meinungen und Positionen hinweg miteinander sprechen. Ihr Fazit: „Frauen in der Politik sind einem anderen Maß an Hass und Hetze ausgesetzt als Männer – online wie offline. Und diese Beleidigungen folgen einem Muster: Es sind Angriffe auf das ‚frau sein‘, auf Weiblichkeit, auf ihren Körper, auf die Familie und Kinder dieser Politikerinnen. Alles mit den entsprechend unsäglichen Gewaltfantasien.“ Damit werde der politische Wettbewerb und die politische Partizipation beschädigt und, so Riedl weiter: „Wenn Politikerinnen sich aus der Politik zurückziehen, dann ist das ein Problem für die Repräsentation von Frauen in der Politik. Das aber darf nicht passieren, weil Frauen genauso gut Politik machen wie Männer.“
Prof. Dr. Jasmin Riedl und Moderatorin Barbara Streidl
Für den Übergang zur Podiumsdiskussion sorgte die Moderatorin des Abends, die Journalistin Barbara Streidl. Sie fühlte der Wissenschaftlerin auf den Zahn und wollte es genau wissen: „Was können wir denn jetzt tun, um Frauen in die Politik zu bringen und ihnen einen Ort zu geben, damit sie dort auch bleiben mögen?“ Mit Blick auf den digitalen Raum hat Riedl zwei Antworten: „Medienkompetenz, Medienkompetenz, Medienkompetenz, das ist das eine. Das zweite ist die Diskursfähigkeit. Mich sorgt, dass viele Menschen ihrem Gegenüber nicht zuhören, weil sie etwas verstehen wollen, sondern weil sie etwas entgegnen wollen.“ Und noch ein Rat von der Wissenschaftlerin: „Wir müssen raus aus den Metropolregionen, rein in die Fläche, dort, wo die Einstellungen homogener sind, und dort für die Anliegen werben. Da müssen wir Prävention betreiben.“
v.l.n.r.: Ulrike Scharf, MdL; Barbara Streidl; Julia Post, MdL;
Prof. Dr. Jasmin Riedl; Maria Hörtrich; Sabine Appelhagen
„Und wie gehen die Politikerinnen damit um?“, so eröffnete Streidl die Podiumsdiskussion und bat Staatsministerin Ulrike Scharf, Julia Post (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Maria Hörtrich (Freie Wähler) und Sabine Appelhagen (Präsidentin des Vereins FidiP e. V.) auf die Bühne. In einer angeregten Diskussion tauschten sich die Politikerinnen aus, erzählten aus ihrem politischen Alltag und wie sie sich ihre warmen, inneren Orte erhalten. Unisono sagten alle, wie wichtig ihre Privatsphäre und wie wichtig der Freundeskreis außerhalb des politischen Alltags sei – ein Rückzugsort, wo nicht jedes Wort auf die Waagschale gelegt würde. Und noch etwas sei wichtig, berichtete Hörtrich: „Am Anfang war ich sehr betroffen, bis ich gemerkt habe, ich bin nicht persönlich gemeint, sondern die Person auf dem Plakat.“ Julia Post hat es ähnlich erlebt, sieht aber auch die positive Seite: „Für mich ist das politische Engagement was sehr Schönes. Denn es ist ja nicht so, dass gleich mit Parteieintritt ein riesiger Shitstorm über einen ausgeschüttet wird. Man trifft auf viele Gleichgesinnte, zieht an einem Strang. Ich hab das als sehr beglückend erlebt.“ Die Themen Hass und Hetze kamen für sie erst viel später. Das weiß auch Appelhagen: „Wir von FidiP greifen diese Themen auf und bieten einen geschützten Raum, wo sich Frauen, die in der Politik sind oder dahin wollen, austauschen und im Gespräch merken, ‚Wir sind nicht allein!‘. Es ist wichtig, dass man darüber sprechen kann. Man muss es wirklich ernst nehmen. Wir müssen alle aus der Passivität raus und in die Aktivität rein. Wir wollen die Frauen darin bestärken in die Sichtbarkeit zu gehen. Daran arbeiten wir. Auch in unserem Seminarangebot für Politikerinnen und die, die es werden wollen.“
Sabine Appelhagen
„Der Umgang miteinander muss wieder respektvoller werden“, forderte Staatsministerin Scharf. Frauen müssen sich noch mehr vernetzen, nicht an den Parteigrenzen haltmachen und sich gegenseitig unterstützen. Das sieht BayLFR Präsidentin Monika Meier-Pojda genauso und fordert zum Schluss der Veranstaltung: „Zu den Kommunalwahlen wollen wir das weibliche Antlitz Bayerns sehen.“
(alle Fotos: © André Bechtel)
Wir sind ein Zusammenschluss von 58 Landes-Frauenverbänden und Frauengruppen gemischter Landesverbände, sind überparteilich, überkonfessionell und unabhängig und vertreten insgesamt knapp vier Millionen Frauen in Bayern. Seit unserer Gründung 1973 tragen wir zur Verwirklichung von Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft bei.