Robotische Systeme in der Altenpflege – Entlastung für die Pflegekräfte?
Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, bedingt durch die demographische Entwicklung, stetig an. Gleichzeitig fehlt qualifiziertes Personal. Die aktuelle Krisensituation durch die Corona-Pandemie weist wie ein Brennglas in aller Deutlichkeit auf die bestehenden Defizite hin. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stellt ab 2020 ein Fördervolumen von 20 Mio. Euro für die Entwicklung neuer Pflegetechnologien zur Verfügung. Mit technischen Innovationen sollen Pflegekräfte und pflegende Angehörige entlastet werden.
Ist Robotik die Lösung?
Mit der Diskussion um Pflegemangel und Arbeitsbedingungen wurden neue technologische Entwicklungen im Bereich der Robotik etabliert. Unterstützt durch die Förderpolitik der Bundesregierung sollen Roboter in die Pflege eingebunden werden und dort den Personalmangel bekämpfen. Der öffentliche Diskurs suggeriert, dass Robotik-Technologie bereits in einem Stadium kurz vor dem flächendeckenden Einsatz ist.
Pflege gilt als Wachstumsbranche; sie gilt inzwischen als Markt mit großem wirtschaftlichem Potential. Hinter der Entwicklung von Technik in der Pflege stehen wirtschaftliche Interessen von Unternehmen, die nicht unbedingt im Dienst einer menschenorientierten Pflege stehen. Es entstehen immer mehr Gesundheits-konzerne, für die Profit das entscheidende Ziel ist.
Wenn also Anleger auf den Finanzmärkten, IT-Firmen und auf Gewinn ausgerichtete Gesundheitskonzerne die Hauptakteure für die Einführung von Robotern in der Altenpflege sind, muss hinterfragt werden, ob das zur Entlastung der Pflegenden und zum Wohle der Pflegebedürftigen beiträgt. In diesem Zusammenhang ist die Frage zu stellen, ob der Einsatz von Robotik nicht soziale Ungleichheit verstärkt, wenn sich nicht alle den Luxus menschlicher Pflege leisten können und es womöglich zu „Massenabfertigung“ durch Roboter kommt.
Wie soll Altenpflege aussehen?
Altenpflege ist Interaktionsarbeit und verlangt situatives Handeln. Über die praktische pflegerische Tätigkeit hinaus gehört Vermitteln von Zuversicht und Lebensmut, auch Begleitung am Lebensende, dazu. Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen, sowohl der zu Pflegende als auch die Pflegekräfte. Aber ausgerechnet die überwiegend von Frauen geleistete, extrem anspruchsvolle Carearbeit, wird schlecht oder oftmals nicht bezahlt. Aktuell wird die These aufgestellt, mit mehr Technik in der Pflege könnten verstärkt Männer für diesen Beruf gewonnen werden. Aufgrund der noch bestehenden Geschlechterstereotype besteht jedoch die Gefahr der beruflichen Segregation: Gut bezahlte Technikstellen für Männer, schlecht bezahlte menschliche Pflegeaufgaben für Frauen.
Forderungen des Bayerischen Landesfrauenrates:
- Bei der Entwicklung und Nutzung der Robotik in der Altenpflege ist das Pflegepersonal kontinuierlich mit einzubeziehen. Pflegende müssen digitale Kompetenzen vermittelt bekommen in der Ausbildung und durch Fort- und Weiterbildung. Lehrpläne müssen entsprechend entwickelt werden.
- Die Wirtschaftlichkeit von robotischen Systemen muss in einem fairen Evaluationsprozess gegenüber der menschlichen Pflege verglichen werden: Ressourceneinsatz, Nachhaltigkeit, Wartung, Kosten, Entsorgung.
- Nicht nur in neue Technik, sondern auch in die Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen, muss investiert werden.
- Robotische Systeme dürfen nicht zu einer Überwachung der Pflegekräfte führen.
- Es ist unerlässlich, einen umfassenden ethischen Diskurs in der Gesellschaft zu führen.
- Die Anschaffung und der Betrieb von robotischen Systemen könnten zu einer Entlastung für Pflegekräfte führen, jedoch nur, wenn sie mit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen einhergehen. Deshalb müssen bessere Bezahlung und Personalaufstockung zwingend an erster Stelle stehen.
- Gute Arbeitsbedingungen sind für die Stabilität einer Krisenbewältigung unerlässlich. Auch muss gewährleistet sein, dass Menschen so pflegen können, dass sie selbst dabei gesund bleiben.